Das Otto Dix Projekt

 

Die Welt im Umbruch: in einer von Konsum- und Eventsucht geprägten Gesellschaft führen Industrialisierung und das kapitalistische Wirtschaftssystem zu einer wachsenden Überforderung der Ökosysteme. Geopolitische und ökologische Krisen schüren soziale wie gesellschaftliche Unsicherheiten. Bemühungen um Verbesserung scheitern an nationalstaatlichem Egoismus und an der Kurzsichtigkeit betroffener Branchen. 

 

Dabei waren die nach dem Ende des ersten Weltkrieges neu entstandenen Bereiche der kapitalistischen Wirtschaft einst die Triebkräfte der "Renaissance der Fotografie". Die ästhetische Erneuerung der Fotografie war untrennbar mit der ökonomischen Erneuerung verbunden. "Neue Sachlichkeit" lautete die Parole der 1920er Jahre. Ungewöhnliche Perspektiven, starke Kontraste oder überraschende Motive lösten den althergebrachten schönen Schein ab, der die Kunstfotografen um die Jahrhundertwende noch begeistert hatte. Statt sich an der Bildsprache der Malerei zu orientieren, hoben die Fotografen der Neuen Sachlichkeit die dem fotografischen Medium eigenen Stilmittel wie Präzision, Schärfe und Detailgenauigkeit hervor. In der von politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen geprägten Zeit der Weimarer Republik suchte man auch in der Malerei andere Werte und Ideale. Die Werke der Künstler zeichneten sich - als Gegenströmung zum Expressionismus - durch eine möglichst wirklichkeitsgetreue, detailgenaue Wiedergabe der Realität aus. Porträts wurden unmittelbar und ungeschönt in Szene gesetzt. 

 

So war die Maxime des Malers Otto Dix (1891-1969), einer der zentralen Figuren der Neuen Sachlichkeit: "Ich brauche die Verbindung zur sinnlichen Welt, den Mut zur Hässlichkeit, das Leben ohne Verdünnung." In seinen Porträts widmete Dix sich besonders intensiv dem Hafen-, Zirkus- und Rotlichtmilieu, mit all seinen typisierenden Facetten. Dem Klischee vom anderen Leben, von Freibeuterei und Freizügigkeit, das er in seinen Bildern humoristisch bis grotesk überdehnt. Demgegenüber stellt er gerne die Parallelwelten der Mondänen und Spießer einer auf Perfektion versessenen Gesellschaft. 

 

Eine weitere, eigene Stilrichtung innerhalb der Neuen Sachlichkeit bildet der magische Realismus, der realistische mit surrealistischen Formelementen verknüpft. Eigentümliche, traumhaft-magische Lichteffekte sind ebenso charakteristisch wie ein dämonischer und bedrohlicher Stimmungsgehalt.  Die Protagonisten wirken weltverloren, während Dinge zum Träger von Botschaften oder zu Sinnbildern für Empfindungen werden. Besonders im Italien der 1920er Jahre dominierte diese künstlerische Strömung, die dort dem Postulat "Rückkehr zur Ordnung" folgend, einen Gegenpol zum "lärmenden" Futurismus bildete. In den 1930er bis 1950er etablierte sich der magische Realismus als eigenständige Strömung in ganz Europa und auch Amerika. Einer der wohl wichtigsten Vertreter dieser Kunstrichtung ist der niederländische Maler Pyke Koch.

 

Inspiriert von den beiden Künstlern Otto Dix und Pyke Koche versuche ich mit meiner Porträtserie eine Brücke zu schlagen von der Zeit der Weimarer Republik zu den Umbrüchen unserer heutigen Zeit. Mein Anliegen ist dabei insbesondere eine Darstellung, wie sich die gesellschaftlichen und sozialpolitischen Verwerfungen - heute wie damals - auf die Menschen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten auswirken.